Sommer 2034
Es war ein sonniger Abend im Juni, an dem ich durch eine der modernen Siedlungen dieser wunderbaren Stadt mit der berühmten Steinernen Brücke lief. Wie ich dieses wundervolle Rascheln des Wüsten-Grases genoss, das heuer nur zweimal geschnitten wurde und so herrlich roch. Immer wieder hörte ich das Tuten vom nahegelegenen Bahnhof, das einen glauben machte, man sei im Hafen, auch wenn es sich nur um den Warnton handelte, wenn Waggons umgekoppelt wurden.
Wie bunt heute alles war. Jedes der ansonsten weißen Häuser erschien mir in einem anderen Farbton. Nummer 31 war pinkfarben, während 42 in ein leuchtendes Gelb getaucht war und dieses satte Blau des Hauses gegenüber der Kindertagesstätte. Meine Joggingroute führte mich weiter über die Gleise auf der Straße. Um den zarten Windhauch, den ich von hinten anrollen spürte, war ich richtig froh und dann rauschte er nahezu lautlos an mir vorbei, dieser Zug aus den Visionen zu den Planungen zu einer Stadtbahn. Schnittig sah er aus, mit diesen abgedunkelten Scheiben, dahinter sah man viele Leute sitzen, ein kleiner Junge winkte mir sogar zu. Schön, dass sich diese Vision trotz der Widerstände doch durchgesetzt hatte. Ich musste lächeln.
Aber ich wollte ja weiter hinunter zum Wehr. Wie leise es heute war. Über fünf Jahre hatte es nun schon nicht mehr geregnet und das machte sich mittlerweile auch an der Donau bemerkbar. Der Wasserstand war beängstigend niedrig. Ein Radfahrer rief mir zu: „Mann, mann, mann jetzt wird es dann wieder Stromausfälle geben!“ Das war immer öfter der Fall, weil das wenige Wasser nur noch selten die Turbinen des Wasserkraftwerkes zum Laufen bringen konnten. „Oh ja“, keuchte ich zurück, denn heute war es sogar mir, die ich immer die Hitze geliebt hatte, viel zu heiß. Es waren um 19 Uhr noch 35°C. Seit ein paar Jahren hatte die Stadt für Personen über 50 Jahren ein verpflichtendes Trainingsprogramm entworfen, damit man sich besser an die jährlich zunehmende Hitze anpassen konnte. Klar hätte ich mich davor drücken können, doch der Chip unter meinem Handgelenk zeichnete genauestens auf, ob ich auch wirklich trainierte; nur so war es möglich, dass ich im Krankheitsfall behandelt werden würde.
Also rannte ich tapfer weiter Richtung des steinernen Wahrzeichens. Beim Überqueren musste ich daran denken, wie lange es schon kein Hochwasser mehr an der Wurstbraterei direkt am Donauufer gegeben hatte. Zehn Jahre lag das Letzte nun zurück, vermutlich wäre man gar nicht mehr vorbereitet gewesen. Wieder rauschte ein Waggon der Stadtbahn an mir vorbei. Endlich hatte die Stadt es geschafft, den Autoverkehr aus der Stadt zu verbannen. – Traumhaft.
Am großen Platz am Theater saßen wie jeden Abend viele junge Menschen am längst versiegten Brunnen und genossen ihr Eis, auch wenn es immer mehr zur Klimasünde wurde, einen Gefrierschrank zu betreiben, ein Eis wollte sich niemand entgehen lassen. Langsam trabte ich zurück in mein Viertel und kam ziemlich erschöpft in meiner Wohnung an. Mittlerweile hatte man mir da eine hochmoderne Ultraschalldusche eingebaut, für mich immer wieder völlig crazy, hatte ich mir das doch schon in den „Star Trek“-Folgen der 1990er kaum vorstellen können und nun war das alles Wirklichkeit geworden.
Oder etwa doch nicht? Es fühlte sich irgendwie feucht an an meinen Füßen. Stand ich etwa doch im Wasser in meiner Dusche?
Meine Hündin leckte an meinen Zehen und Fußsohlen und ich wachte langsam auf meiner Couch auf. Der Fernseher rauschte neben mir, ich war offensichtlich eingeschlafen und hatte geträumt von einem Sommer 2034, aber der Blick auf mein Handy bestätigte, noch war es Sommer 2024.
Dr. Dagmar Stark